Geteilte Welten Kapitel 5 – Die Höhle des L&o

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In der Villa der Familie von Hochbergen herrschte Unruhe: seine Mutter schaute unaufhörlich aus dem Fenster; sein Vater saß in seinem Arbeitszimmer und versuchte, seinen Schreib-tisch aufzuräumen, was ihm aber nicht wirklich gelang.
„Er kommt!“ rief Sybilla von Hochbergen plötzlich. „Nein, das ist er doch nicht – doch, er ist es!“ Tim hatte ja noch die Klamotten an, die seine Freunde ihm gegeben hatten, und nicht den feinen Zwirn, in dem er normalerweise herumlaufen musste. Zudem war sein Haar zerzaust und nicht glatt gekämmt, und im Gesicht zeigte sich der Ansatz eines flaumigen Bärtchens, obwohl er sich doch erst gestern früh zuletzt rasiert hatte. Schon war Tims Mutter zur Haustür gelaufen – sein Vater blieb im Arbeitszimmer, und wartete zunächst ab. Tim blieb zuerst abrupt stehen, als er seine Mutter in der Tür sah. Doch dann lief er auf sie zu und fiel ihr um den Hals. „Mom“, begann er, doch seine Mutter legte nur einen Finger auf seinen Mund. „Du bist wieder da, und das ist das Wichtigste. Wir haben uns solche Sorgen gemacht!“ Dann trat sie einen Schritt zurück, und sah ihn an. „Alles ok? Geht’s Dir gut?“ Und dann mit gerümpfter Nase, aber einem Lachen: „Ich glaube, Du solltest erstmal duschen gehen!“ Ok, der Abend am See, die Nacht im Stroh und die Katzenwäsche heute morgen auf dem Hof von Willys Eltern trugen nicht gerade dazu bei, dass er gut roch; also lief er schnell hinauf und verschwand im Badezimmer. Als er unter der Dusche stand, dachte er zurück an den letzten Abend, die Nacht im Stall und das Frühstück bei Willys Mutter. Und er dachte – an Marko! Seine vorsichtigen Annäherungsversuche, als er beim Pinkeln am See neben ihm stand, das Erwachen in der Miete, mit Markos Hand auf seiner nackten Brust, das zarte „Händchenhalten“ am Frühstückstisch. Ein wohliges Gefühl durchströmte ihn, doch gleichzeitig erschrak er. Zwischen seinen Beinen zeigte sich eine deutliche Regung bei den Gedanken an Marko… Nein – das kann, das darf nicht sein!

Schließlich war er fertig, zog nur seinen Bademantel mit dem Familienwappen über und lief in sein Zimmer. Als er die Tür öffnete, saß dort auf seinem Bett – sein Vater! „Tim, komm bitte mal her und setz Dich!“ sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Gehorsam setzte sich Tim neben seinem Vater auf das Bett; entkommen konnte er ja doch nicht mehr – also Augen zu und durch! Doch erstaunlicherweise hielt Albertus von Hochbergen sich zurück; im Gegenteil: er versuchte, ganz ruhig und vernünftig mit seinem fast erwachsenen Sohn zu sprechen. „Tim“, begann er, „Du hast uns einen riesigen Schrecken eingejagt.“ Tim wollte antworten, doch sein Vater schüttelte mit dem Kopf. „Hättest doch wenigstens anrufen können!“ fuhr er fort. „Bisher waren wir es von Dir nicht gewohnt, dass Du einfach so über Nacht weg bleibst – zumindest nicht, ohne dass wir wussten, wo Du Dich aufhältst. Außerdem weißt Du genau, dass ich es nicht gut finden kann, mit welchen Typen Du Dich herumtreibst und dass Du dadurch die Schule so vernachlässigst. Ich muss auch ein wenig auf meinen Ruf achten, und wenn mein Sohn mit diesen schrägen Vögeln aus dem Ort abhängt und mit seinen Leistungen in der Schule so zurückfällt, wirft das nicht gerade ein gutes Licht auf die Firma und unsere Familie!“ „Paps, das sind keine schrägen Vögel!“ protestierte Tim. „Ok, wir treffen uns, trinken etwas – aber nur Bier oder so – und haben Spaß. Aber wir drehen keine krummen Dinger, und mit Drogen oder so was haben wir auch nichts zu tun! Das musst Du mir einfach glauben! Ich komme einfach mit den Leuten aus der Schule nicht klar – aber bei den Jungs fühle ich mich wohl. Versteh das doch bitte!“ Einen kurzen Moment dachte Albertus nach – dann meinte er nur: „Wie ich sehe, bekomme ich dich ja doch von Deinen Freunden nicht weg; wenn ich es Dir nicht erlaube, triffst Du Dich halt heimlich mit ihnen. Ich könnte Dir jetzt Hausarrest geben, aber ich fürchte, das nützt auch nicht viel. Gut, dann machen wir also ein Geschäft: Du nimmst Dir mehr Zeit zum Lernen und siehst zu, dass Du endlich wieder in der Schule mitkommst – und: Du sagst es uns ab sofort wieder, wenn Du über Nacht weg bleiben willst und wo Du bist. Und Du versprichst mir, dass Du keine krummen Sachen machst. Dafür kannst Du Dich weiter mit Deinen Freunden treffen, und Du bekommst auch wieder etwas Taschengeld von mir – zunächst die Hälfte der üblichen Summe, so lange bis ich meine, dass Du Deine Versprechen auch hältst. So braucht Deine Mutter Dir wenigstens nichts mehr zustecken… Was meinst Du – Hand drauf?“ Nur kurz zögerte Tim, dann hielt er seinem Vater die Hand hin. „Ok, Hand drauf!“ Lächelnd verließ Albertus von Hochbergen das Zimmer seines Sohnes; Tim dagegen atmete erstmal tief durch – hey, das ist ja besser gelaufen, als er dachte! Aber Paps hat es also doch gemerkt… Der Blick zur Uhr mahnte jetzt aber zur Eile – Abendessenzeit! Tim warf den Bademantel auf sein Bett und öffnete seinen Kleiderschrank. Seine Eltern legten Wert darauf, dass man ordentlich gekleidet zu Tisch erscheint – also wählte Tim eine schwarze Stoffhose und dazu ein beigefarbenes Hemd; lediglich auf die Krawatte verzichtete er. Auf Socken lief er hinunter ins Esszimmer und setzte sich auf seinen Platz. Margret trug auf: Braten, Mischgemüse, Petersilienkartoffeln und Sauce. Es herrschte eine recht ausgelassene Stimmung im Haus; Tims Mutter war froh, dass „ihr Timi“ wieder zuhause war; sein Vater zeigte sich zufrieden mit dem Gespräch, das er mit seinem Sohn geführt hatte. Und auch Tim fühlte sich wieder einigermaßen wohl.

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