Meu fado (5)

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„Ich habe Dich mit dieser Blondinen gesehen.“ Ricarda fixierte ihn über den Tisch hinweg.
Er hatte nicht vermeiden können, dass sie sich zu ihm gesetzt hatte. Hugo war während des Essens angerufen worden und musste zurück ins Büro. Ricarda hatte die Gelegenheit abgepasst und mit dem Tablett in den Händen stand sie erst wortlos da, bis Ben ebenso wortlos aufblickte und zögernd genickt hatte.
„Und?“
„Sie ist hübsch.“
„Ja. Das ist sie.“
Miriam hatte ihm nach diesem wild durchgefickten Wochenende am Montagmorgen einen Kuss auf seinen Schwanz und auf seine Lippen gegeben, dann seine Wange gestreichelt, hatte ihn dabei angelächelt. Und war mit ihrer Reisetasche, die sie gar nicht hatte öffnen müssen, gegangen. Ben hatte noch eine Weile im Bett gelegen, seine Arme um das Kissen geschlungen und an ihre blonden Locken gedacht und sich ihren Duft eingeprägt, der noch an dem Stoff und an ihm hing. So plötzlich sie da gewesen war, so plötzlich verschwand sie wieder. Jedes Mal, wenn sie sich begegneten, zufällig, spontan, leidenschaftlich. Kurze, intensive Momente ohne irgendwelche Erwartungen aber voller Sympathie und – Gott – was für ein Sex!

Wie anders es mit Ricarda war, dachte Ben. Ihm fielen dabei die weißen Linien auf, die sich in ihren Augenwinkeln abzeichneten.
„Du gehst mir aus dem Weg, Ben.“
„Ach, tue ich das?“
„Sei nicht so ein Arschloch.“
Ben merkte ein Ziehen in seinen Backenmuskeln. Statt zu antworten, starrte er Ricarda einfach nur an, stieß sein Tablett zurück und lehnte sich in den Stuhl zurück.
„Was, wenn ich schwanger wäre, Ben?“
„Dann würde ich Dir alles Gute wünschen und fragen, wer der Glückspilz sein soll.“
„Du verdammter…“
Ruckartig beugte er sich vor. „Hör gut zu, Ricarda. Das Thema hatte sich für mich bereits vor langer Zeit final erledigt. Mit Attest und Bedauern des Urologen. Also versuch mich nicht zu verarschen.“
Ricarda setzte ein trotziges Gesicht auf.
„Mein Gott, Ricarda! Was erhoffst Du Dir von so einer Show?“
„Ich dachte, es wäre mehr als nur Sex. Ich dachte, …“
„Es war Sex, Ricarda. Mind blowing, ja. Du bist eine unglaubliche Frau. Es war schön.“ Ihr Gesicht senkte sich in Erwartung der nächsten Worte.
„Aber Du besitzt mich nicht! Versuch erst gar nicht mehr aus der Sache zu machen.“
„…aus der Sache! So siehst Du das also: Eine Sache!“
„Du weißt verdammt gut, wie ich das sehe.“
Sie stand hastig auf, stieß dabei den Stuhl um.
„Gott … fick Dich, Ben!“ Drehte sich um und verschwand mit schnellen Schritten.
‚Das wird er irgendwann tun‘ sagte sich Ben, starrte ihr nach und beschloss spontan, den Nachmittag nicht ins Büro zurückzukehren. Also stand er auf, kramte nach Münzen, legte einige auf die Untertasse des Bica. Dann schickte er Hugo eine Nachricht auf sein Smartphone. Die Antwort kam promt: Kein Thema. Sie würden ohne ihn die Tests durchlaufen lassen.

Ben schlenderte die Liberdade hinunter, stieß quer auf die Madalena und beschloss aus einer Laune heraus, die 12e hinauf zum Castelo zu nehmen. Der Himmel hatte sich zugezogen, es regnete in kurzen Intervallen, dann brach die Nachmittagssonne wieder durch Wolkenlücken. Ben sah gedankenverloren auf die gleißenden Dächer der Baixa unter ihm, als er schließlich auf der Mauerkrone der alten Festung stand. Tropfen fielen aus dem Blätterdach der alten Platanen und die Bänke schienen zu nass zu sein um auf ihnen sitzen zu können. Er lehnte sich deshalb an eine Brüstung, fischte eine Zigarette aus der Brusttasche und zündete sie an, als sein Handy vibrierte.
„Ben?“ Er hörte Fionas Stimme gleich, nachdem er das Gespräch angenommen hatte.
„Wer denn sonst?“
„Na, weiß ich‘s? Wo steckst Du?“
„Auf den Castelo.“
„Ha! Dann kann ich ja lange im Büro suchen. … Wieso denn da?“
„Hab‘ gerade mit Ricarda Schluss gemacht.“
„Gut.“ Mehr sagte sie nicht. Die darauf folgende Pause verwirrte Ben. Fiona hatte sich nie zu seiner Affaire geäußert. Allerdings wusste Ben, dass sie Ricarda für eine durchtriebene Schlampe hielt. Womit sie nicht unbedingt Unrecht hatte. Es gab eine ganze Reihe Männer, die von Ricarda genagelt worden waren. Erst im Bett und dann ans Kreuz. Sogar in der Zeit, während sie zusammen gewesen waren. Ricarda hatte ihm oft genug en detail über Ficktreffen mit anderen Männern berichtet, während sie auf ihm saß und langsam seinen Schwanz ritt. Es machte sie geil. Vor allem, wenn der andere Mann zu kurz gekommen war, bereits beim Vorspiel abgespritzt hatte oder auf halber Strecke schlapp machte, weil die Nummer im Büro, im Aufzug, in Hauseingängen oder in der UBahn dann doch zu aufregend gewesen war. Fionas leidenschaftliche Abneigung gegen Ricarda hatte er allerdings nie verstanden, denn einige ihrer besten Freundinnen waren da keinen Deut besser. Er hatte es auch nie hinterfragt. Ricarda war eines der Themen, über die sie höchstens in Schlagzeilen sprachen.
„Bist Du noch dran?“ Ihre Frage riss ihn aus seinem Grübeln, warum sie es ‚gut‘ fand.
„Sorry. Bin noch dran.“ Er atmete die kühle Luft tief ein und schaute zum Horizont. „Ist Dir schon mal aufgefallen, wie winzig der Cristo Rei neben der Brücke aussieht?“
„Nein. Ist das so? Wie kommst Du darauf… Lenk mich nicht ab! Ich wollte Dich fragen, ob Du was vorhast. Ich hätte Lust auf einen Inder.“
„Klar. Aber ist es Dir nicht peinlich, wenn ich dabei zuschau‘n darf.“
„Wa… Du blöder…“ Ihr Lachen steckte einfach an. Dann räusperte sie sich.
„Scheinbar geht’s Dir gut genug für Späße. Zumindest auf meine Kosten. Also gegen sechs? Im Barrio Alto, Rua da Rosa?“
„So früh? Und he! In der da Rosa gibt es höchstens indische Schneider. Zu was willst Du mich da wieder hinreißen?“ Ben schmunzelte. Fionas Kleidertick war ausgeprägt und er sah sich wieder von ihr in irgendwelche Läden verschleppt.
Sie lachte ins Telefon. „Erwischt! Aber man kann ja das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden, oder? Fernanda meinte, dass da gerade einige Läden die Preise runtergesetzt haben.“
„Irgendwann komme ich noch dahinter, was für Dich dabei das Nützliche ist. – Ja, gerne. Um sechs.“
„Schön. Freu mich! Bis gleich.“
Unvermittelt legte sie auf. Ben schaute auf das Display und rief kurz den Startscreen auf. Keine Mail. Dann schaute er noch einmal auf die unter ihm liegende Baixa, fand den Elevador de Santa Justa und wanderte dann mit dem Blick hinüber zum Barrio Alto, dessen Dächer in der Nachmittagssonne schimmerten. Das hohle Gefühl nach der Szene mit Ricarda war verschwunden. Und die Vorahnung einer Fiona, die ihm erwartungsvoll die unterschiedlichsten, duftig leichten Sommerkleider vorführen würde, brachte ihm sein Lächeln zurück.

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