Schiffsunglück – Ein Geschichtenanfang

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Dunkle Wolken zogen auf und verwandelten den azurblauen Himmel binnen weniger Minuten in das bleigraue, zerfetzte Maul eines Ungeheuers. Von den Windböen aufgepeitscht, formte das Meer schäumende Wellen, die von scheinbar rasender Wut getrieben gegen die hilflose, weiß getünchte Jacht brandeten. Sie schaukelte und tanzte auf den Wellenkronen wie ein sterbender Schwan.
Der erste Maat hatte am Morgen des Tages ein Unwetter prophezeit, nur diese Heftigkeit hätte niemand vorhersagen können. „So ist das mit der See“, hätte der alte, bärtige Kapitän gemurmelt, wenn er nicht alle Hände voll zu tun gehabt hätte, „sie ist so störrisch und unberechenbar wie ein Weib. Aber deshalb lieben wir die Weiber.“
Tin, der Schiffsjunge, klammerte sich an die Reling. Es war sein erster richtiger Sturm auf hoher See und er wusste, dass er der Besatzung am besten nicht in die Quere kam. Er hatte die Augen weit aufgerissen, obwohl sie vom Salz der schäumenden Gischt brannten.
„Da ist etwas!“, rief er aufgeregt, „ich sehe etwas im Wasser!“
Aber niemand beachtete ihn. Die Matrosen rannten wie aufgescheuchte Bienen über das Deck der Segeljacht, hierhin und dorthin, und versuchten alles, um die Kontrolle über ihr Schiff zu behalten.
„Das müsst ihr euch ansehen!“
Er zog die Augen eng zusammen und legte den Kopf schief, um besser sehen zu können. Kein Zweifel, da waren Leute im Wasser. Obwohl mit ihrer Farbe etwas nicht zu stimmen schien, war Tin sich sicher, dass da, mitten im Meer, auf hoher See, meilenweit von jedem Fleckchen Land entfernt, drei Menschen auf einer Art Felsvorsprung kauerten.
Er holte tief Atem und brüllte dann aus voller Kehle: „Mann über Bord!“
Und dieses Mal hörten ihn die Matrosen. Mit einem Schlag verharrten sie in ihren Bewegungen, hielten inne, lauschten und starrten dann in seine Richtung.
Heilloses Chaos brach aus, als die Seemänner ihre Posten verließen und Tin von seinem Aussichtspunkt an der Reling verdrängten. Selbst der Steuermann, der erste Maat und der Schiffskapitän waren unter ihnen. Wie von Sinnen starrten sie auf die Gestalten im Wasser, den Sturm hatten sie längst vergessen.
„He! Was tut ihr da?“
Tin packte einen der Männer am Arm und versuchte ihn von der Reling wegzuziehen, doch dieser schüttelte ihn ab, wie ein lästiges Insekt, ohne ihn auch nur einmal anzusehen.
Regen setzte ein. Schwere, warme Tropfen prasselten auf die erstarrte Crew der „Amara“ nieder. Verloren schaukelte das Schiff auf den wild gewordenen Wellen, tanzte seinen letzten Tanz.
Verzweiflung übermannte den armen Tin. Er stürzte hinauf zum Steuerposten und packte das Steuer, aber ein Mann allein kann kein Schiff segeln. Und kein Junge der Welt kann ein Segelschiff in einem Sturm retten.
So sank die „Amara“, als sie schließlich gegen ein kleines Riff prallte und Tin, der sich irgendwann im kalten Wasser wiederfand, prustend und spuckend, hätte schwören können, dass er nun, endlich, den unterirdisch schönen Gesang der Sirenen hörte.
Jenen Gesang, der den erwachsenen Männern an Bord des Schiffes den Verstand geraubt hatte.

Ich wickle eine Strähne meines langen, blauschwarzen Haares um meinen Zeigefinger, die andere Hand habe ich nachdenklich an meine Lippen gelegt.
„Was sagt ihr, meine Schwestern, ist er nicht ein hinreißendes Exemplar?“
Fasziniert von dem menschlichen Mann zeichne ich seine Körperkonturen nach. Die festen Muskeln seines nackten Oberkörpers, sein markantes Kinn, den Bund der ausgefransten Leinenhose, die er trägt. „Nur schade, dass er nicht bei Bewusstsein ist.“ Das trifft mich, schließlich hatte ich ihn nicht aus den Fluten gerettet, um sein Leben zu bewahren. Nicht ausschließlich.
Selen, die hübsche, vollbusige Selen, lächelt mich lüstern an. „Eine Schande, in der Tat. Aber seit wann brauchen wir drei schon einen Mann für unsere Spiele? Komm in meine Arme, Schwester, lass dich von mir trösten…“
Nur allzu willig lehne ich mich an sie, genieße die erfrischende Kühle ihres Körpers. Nele, die dritte im Bunde, eine rothaarige Schönheit mit feinem Knochenbau, gesellt sich zu uns. Sie kniet sich vor mich hin und legt mir ihre zarten Hände an die Schultern. Beinahe verliere ich mich in ihren Augen, sie streift mit ihren Lippen über die meinen, zieht mich dann näher, küsst mich leidenschaftlich. Ich spüre, wie ihre Hände über meinen Körper gleiten, meine Brüste liebkosen, meinen flachen Bauch… und wie sie schließlich über meine Oberschenkel gleiten, meine Schamlippen teilen und dazwischen süße Feuchtigkeit vorfinden.
Selen sitzt an meinen Rücken gepresst da, ich spüre ihre harten Brustwarzen an meinen Schulterblättern, fühle ihren Atem an meinem Hals, den sie zärtlich liebkost.
Ich streichle die seidenglatte Haut der beiden, mal die eine, dann die andere, genieße die Empfindungen, die ihre Berührungen bei mir auslösen.
Wir Sirenen sind die perfekten Frauen, wunderschön, voller Lust und absolut tödlich für jeden, der sich unserem Willen widersetzt.
Ein zartes Stöhnen entringt sich meinen leicht geöffneten Lippen – und wird von einem ähnlichen Laut beantwortet, bloß von einer männlichen Stimme.
„Er erwacht!“, sofort löse ich mich aus der Umarmung meiner Schwestern und mache scheuchende Handbewegungen, „husch husch, ins Wasser mit euch! Dieser hier gehört allein mir!“
Sie lachen kehlig, schmiegen sich fest aneinander, um sich ein letztes Mal leidenschaftlich zu küssen. Dann sind sie auch schon weg, eingetaucht in die Tiefen des Meeres. Ich brauche sie nicht, wenn ich einen Mann haben kann.
Einen Mann, dessen plötzlich wachen Blicken ich mir sehr bewusst bin. Also räkle ich mich ein wenig, strecke für ihn gut sichtbar meinen nackten Körper und lächle ihn dann entwaffnend an.
„Aufgewacht, mein Wunderschöner?“

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